Donnerstag, 31. Mai 2007

Flüchtlingsstreik in Blankenburg

..:: [flüchtlingsstreik im lager blankenburg]...
we want the whole fuckin´ bakery.. .

Vom 4. bis zum 31. Oktober befanden sich die Flüchtlinge des 7 Kilometer von Oldenburg entfernten Ein- und Ausreiselagers Blankenburg im Streik. Konkret heißt das: Sowohl das Kantinenessen als auch die 1 Euro-Jobs wurden boykottiert. Die Streikenden fordern stattdessen die Auszahlung von Bargeld und das Recht, ihre Nahrung selbstbestimmt zubereiten zu können. Darüber hinaus wird eine angemessene und hiesigen Standards angepasste Gesundheitsversorgung gefordert. Grundsätzlich machen sich die BewohnerInnen für eine dezentrale Unterbringung in eigenen Wohnungen nach spätestens 3 Monaten stark. Die meißten BewohnerInnen leben bereits seit über einem Jahr, viele 2 Jahre und länger in Blankenburg.
An dem Streik waren ca. 200 Menschen beteiligt, d.h. nahezu alle Flüchtlinge, die permanent im Lager leben. Am Montag Abend wurde auf der Vollversammlung der Bewohner und Bewohnerinnen der ZAAB Blankenburg und ihrer UnterstützerInnen beschlossen, den Streik vorerst auszusetzen.
Dieser Streik, der über 4 Wochen geführt wurde, ist in der Geschichte des Widerstands gegen die repressive Asylpolitik in Deutschland und die damit zusammenhängende Lagerunterbringung einmalig. Er war umso bemerkenswerter als er trotz massiver Einschüchterung durch den Leiter der ZAAB Oldenburg Herr Lüttgau, mit nächtlichen Wohnungsdurchsuchungen, verstärkten Botschaftsvorführungen und der Umverteilung aktiver Streikenden so lange und erfolgreich geführt wurde. Es wurde erreicht, dass eine breite Öffentlichkeit über diese Politik informiert wurde.

[Vorgeschichte]
Vom 29.09 - 1.10 fanden in Oldenburg/Blankenburg die Anti-Lager-Aktionstage vor der ZAAB (Zentrale Aufnahmestelle und Ausländerbehörde) Oldenburg statt. Die Veranstaltung war auf drei Tage angelegt und sollte mehr Kontakt zwischen antirassistischen Initiativen und Flüchtlingen aus dem Lager Blankenburg herstellen. Ein Bündnis von antirassistischen, autonomen und feministischen Gruppen und Einzelpersonen baute am Blankenburger See eine Zeltstadt auf - zwei Veranstaltungszelte, ein Infozelt und ein Küchenzelt. Es gab gemeinsame sportliche Aktivitäten und Diskussion über die Situation im Lager und den Kampf gegen die Lagerpolitik.
Die Flüchtlinge berichteten auf den Veranstaltungen über ihre Situation. Sie kritisierten das schlechte und ungenießbare Essen aus der Lagerkantine, zur Sprache kamen auch, die Missstände bei der medizinischen Versorgung, und die unwürdige Behandlung durch die MitarbeiterInnen der ZAAB.
Das Essen ist vitaminarm und minderwertig. Es gibt eine Kantine für die Flüchtlinge und eine Zweite für die MitarbeiterInnen der ZAAB, dort wird ein anderes Essen ausgegeben.
In der Veranstaltung über rechtliche Fragen wurde erzählt, dass viele Flüchtlinge nicht einmal mehr die schmalen Bargeldbeträge von 38,18 € im Monat erhalten würden. Bei einigen sind die Geldbeträge gänzlich gestrichen worden, weil sie ihre Unterschrift unter den „Ausreisevertrag“ verweigert hätten.
Die Flüchtlinge werden von den LagermitarbeiterInnen häufig diskriminierend behandelt. Ein Flüchtling erzählte, dass ihm ein Mitarbeiter gesagt hat: „Wir stehen halt in der Tradition der Nazis“. Der Ausspruch sollte ihm zeigen, dass er keine Perspektive in diesem Land hat. Er dankte den Anwesenden auf den Antilagertagen, dass sie dieses Bild relativiert hätten und sagte: „Ich bin froh das ich noch nicht abgeschoben worden bin und dieses Anti-Lager-Camp noch miterlebt habe. Sonst würde ich glauben, dass in Deutschland nur Rassisten wohnen.“

Die Flüchtlinge kamen zu den Antilagertagen obwohl sie vorher von den Lagerbehörden gehört hatten, dass dort „Chaoten“ vor das Lagertor ziehen würden, die gefährlich sind. Die Lagerleitung verhängte für die Zeit der Aktionstage eine Besuchssperre, niemand durfte in dieser Zeit BesucherInnen mit in die ZAAB nehmen. Neben der Besuchssperre wurden aber großzügig Reiseerlaubnisse ausgestellt, damit die Flüchtlinge für die Zeit der Antilagertage nicht vor Ort sind. Diese Erlaubnisse müssen beantragt werden, weil die Flüchtlinge der Residenzpflicht unterliegen und nicht ohne Genehmigung den ihnen zugewiesenen Landkreis verlassen dürfen. Eine Frau berichtete, wie froh sie ist dieses Angebot nicht angenommen zu haben und die Aktionstage über da geblieben zu sein.
Vor Ort war ein massives Polizeiaufgebot stationiert worden, das zusätzliche Absperrgitter mitgebracht hatte und sich vor dem Lagertor positionierte.

Am Samstag, den 30.09 gab es eine Demonstration mit ca. 300 - 350 Teilnehmern in der Innenstadt. Es wurde lautstark die Abschaffung der Lager gefordert und auf mehreren Redebeiträgen auch die Funktion der Lager benannt.

[Streik]
Nach dem Ende der Antilagertage in Blankenburg hielten die Flüchtlinge in Blankenburg Treffen ab und organisierten eine Demonstration vor der Sozialbehörde und der Kantine auf dem Lagergelände. An dieser nahmen ca. 200 Flüchtlinge teil. Sie verlangten den Lagerleiter zu sprechen und protestierten gegen die Lagerbedingungen in Blankenburg. Der Lagerleiter rief die Polizei, die nach einiger Zeit mit einem Großaufgebot auf dem Lagergelände erschien. Auch der Lagerleiter Lüttgau sprach mit den Flüchtlingen, war aber nicht gewillt auf deren Forderungen einzugehen.
Ein Mitarbeiter der politischen Polizei trat an Flüchtlinge heran und gab ihnen seine Dienststellennummer, um über die Organisierung der Flüchtlinge nähere Angaben zu erhalten. Von besonderem Interesse war für ihn, wer die Antilagertage organisiert hatte und welche Organisationsstrukturen der Protest hat. Gleichzeitig war seine Aufforderung zur Bespitzelung damit verbunden, zu behaupten, dafür für die Flüchtlinge etwas tun zu wollen.

Nach der Demonstration wurde dann von den Flüchtlingen beschlossen in einen unbefristeten Streik zu treten. Der Streik sollte sich auf die Lagerkantine beziehen und auf die Ausführung der 1-Euro-Jobs. UnterstützerInnen organisierten Essensspenden, um die Flüchtlinge im Lager mit Lebensmitteln zu versorgen. Das Lagerpersonal muss nun selber die Putz- und Reinigungsarbeiten, sowie die Gartenarbeiten im Lager übernehmen.
Gleichzeitig drohte man den Flüchtlingen an, dass sie auch nach dem Streik keine 1-Euro-Jobs mehr erhalten könnten.

Am Donnerstag den 5.10. fand erneut eine Demonstration auf dem Lagergelände statt. Die Flüchtlinge wurden jetzt vom Lagerleiter Lüttgau zu einem Gespräch geladen, an dem sie sich mit einer Delegation von 12 Flüchtlingen beteiligten. In diesem Gespräch ging der Lagerleiter auf ihre Forderungen nicht ein, sondern behauptete, dass das Essen besser sei, als das was die Flüchtlinge in ihren Herkunftsländern bekommen würden. Als ihm angeboten wurde, den Protest sofort wieder zu beenden, wenn er selber das Essen probieren würde, war er davon dann wohl nicht mehr so überzeugt, denn er lehnte es ab das Essen zu sich zu nehmen. Auch bei der gesundheitlichen Versorgung konnte der Lagerleiter keine Mängel erkennen.

Stattdessen wurden einzelne Flüchtlinge mit behördlichen Sanktionen belegt, von denen man vermutete, dass sie eine führende Rolle beim Widerstand gegen das Lager innehaben. Diese Flüchtlinge konnten keine Besuchserlaubnis mehr erhalten, mit der sarkastischen Begründung sie könnten ja dagegen streiken. Auch haben Flüchtlinge ihre Duldung nur noch auf zwei Monate verlängert bekommen und gleichzeitig eine Vorladung erhalten, um über den Streik Auskunft zu geben. Die Lagerleitung setzt offenbar auf die Spaltung der Flüchtlinge, denn seit dem Wochenende können einige Flüchtlinge eine großzügige Besuchserlaubnis erhalten und sogar bis zu vier Wochen Verwandte und Freunde in Deutschland besuchen.

Am Freitag, den 06.10., fand dann eine erste Demo zum Streik in der Oldenburger Innenstadt statt, um die Öffentlichkeit zu informieren. Es nahmen ca. 200 - 250 DemonstrantInnen teil. Am Samstag 07.10 wurde auch ein Redebeitrag zu dem Streik auf der Nord-Demo des transnational migration action day in Hamburg gehalten. Viele Flüchtlinge und UnterstützerInnen beteiligten sich auch in den folgenden Wochen an mehreren Demos und Aktionen in Oldenburg und in Hannover. So wurde eine Tour zu verschiedenen Parteien, Organisationen und Gemeinden gemacht, um Spenden zu sammeln und die Forderungen der Flüchtlinge vorzustellen. Dabei bekundete unter anderem die ALSO ihre Solidarität und spendeten trotz arger Finanzprobleme 300 €. Auch beim Haus des Lagerleiters Lüttgau, mitverantwortlich für die Bedingungen im Lager Blankenburg und Bramsche, gab es eine Aktion mit einem symbolischen Zaun, Flugblättern für die Nachbarschaft und Schildern, wie „Lüttgau abschieben“, „Besuchsverbot“. Lüttgau drehte durch. Aktion erfolgreich.

Außerdem luden die Flüchtlinge zu einem Tag der offenen Tür ein, um der Öffentlichkeit ihre Lebensbedingungen im Lager zu zeigen. Diese wurde leider nicht reingelassen, dafür gab es Besuchsverbot für alle und fürs ganze Wochenende. Mit einer Pressekonferenz vor dem Lager im Zirkuszelt wurde auf die mediale Hetze reagiert. Dabei wurden Einzelfälle von Flüchtlingen vorgestellt und Kai Weber vom niedersächsischen Flüchtlingsrat stellte den Zusammenhang zur menschenfeindlichen Flüchtlingspolitik in Niedersachsen her. Vor dem Lager spielte auch Yalla Yalla Movement. Spontan freestylten auch zwei Leute aus Blankenburg.
Die Proteste werden weitergehen!
Repression

Die Antwort der Behörden ließ nicht lange auf sich warten. Sie reagieren mit Desinformation, exemplarischer Bestrafung und Einschüchterung. Die massive Polizeipräsenz im Lager Blankenburg, die ständigen Botschaftsvorführungen (zur Beschaffung der Papiere für die Abschiebung) speziell der AktivistInnen und die Kontrolle der Kantinenausweise soll zu einem Klima der Angst unter den Streikenden führen. Die Umverlegung einzelner Aktivisten soll die Bewegung spalten. Bisher wurden drei Flüchtlinge umverteilt. Die Behörden gehen dazu über, AktivistInnen, die am Streik beteiligt sind, auch in dezentrale Wohnungen umzuverteilen, damit in anderen niedersächsischen Lagern nicht ebenfalls Unruhen ausbrechen. So wurde jetzt auch ein Aktivist aus Bramsche, der kürzlich nach Braunschweig transferiert worden war, dezentral untergebracht.

Schon kurz nach den ersten Tagen des Streiks ging die Lagerleitung dazu über die Kantinenausweise zu kopieren, um an den Stempeln überprüfen zu können, ob die Person in der Kantine isst oder nicht. Darauf folgten Briefe und Gespräche mit den SozialbetreuerInnen, in denen zur Beendigung des Streiks aufgefordert wurde. Außerdem wurden die Ausweise kopiert und auf jeder Demo oder Aktion fotografierten MitarbeiterInnen der ZAAB die Flüchtlinge. Nach einer Woche Streik fand auf dem Lagergelände eine Demo statt, auf der ein Bewohner der ZAAB von 10 PolizistInnen mit Schlagstöcken verprügelt wurde, weil er nicht auf sein Zimmer gehen wollte! Er wurde anschließend in die ZAAB Braunschweig verlegt. Zu dieser Zeit fingen die nächtlichen „Besuche“ der Polizei in den Zimmern von AktivistInnen an, um diese zu Botschaftsvorführungen zu bringen, in andere Lager zu verlegen oder sie einzuschüchtern. Vor dem Streik fanden die Botschaftsvorführungen ungefähr einmal im Monat statt, jetzt mehrmals in der Woche. Die Polizei drohte mehreren Flüchtlingen damit, dass sie ins Gefängnis kommen würden, wenn sie auf die Demo gehen. Der Lagerleiter Lüttgau stand selber bei der allabendlichen Essensverteilung am Lagereingang und forderte alle auf wieder in der Kantine zu essen. Ein Flüchtling wurde auf dem Weg zum Bus zur Demo in Hannover am 25.10. von der Polizei in Gewahrsam genommen, mit der fadenscheinigen Begründung, dass er fünf Tage nicht in Blankenburg gewesen sei.



[Hintergrundinformationen]
Der Streik setzt an konkreten Forderungen an, die sich gegen das Sachleistungsprinzip des „Asylbewerberleistungsgesetzes“ wenden. Gefordert wird Geldleistungen statt Sachleistungen zu erhalten. In vielen Bundesländern wird schon vorwiegend Geld statt Sachleistungen an die Asylbewerber ausgezahlt. So wurden in Mecklenburg Vorpommern in einigen Lagern die Kantine abgeschafft und Geldleistungen ausgezahlt, damit sich die Flüchtlinge selber mit Lebensmitteln versorgen können. Dies ist kein Einzelfall, auch in Hamburg, Bremen, Hessen, Sachsen Anhalt, Berlin, Schleswig-Holstein, Nordrhein Westfalen und Rheinland-Pfalz werden überwiegend Geldleistungen statt Sachleistungen ausgezahlt.

In Niedersachsen wird seit 2000 eine Politik betrieben, in der Flüchtlinge möglichst nur noch in Lagern leben sollen. So wurde seit dem die Umverteilung in dezentrale Wohnheime und Wohnungen weitgehend eingeschränkt. Umverteilungen finden seitdem hauptsächlich zwischen den drei großen Lagern statt, diese sind ZAAB Braunschweig, ZAAB Oldenburg und das Lager Bramsche Hesepe. Von der ZAAB Oldenburg aus werden die Flüchtlinge in das Außenlager Bramsche Hesepe verlegt. Das Lager Bramsche Hesepe ist ein Modellprojekt. Im neuen Zuwanderungsgesetz werden solche Lager zynischerweise als „Ausreisezentren“ bezeichnet. Sprachlich korrekter kann man solche Lager nach ihrer Zweckbestimmung als Abschiebelager bezeichnen. Offiziell werden dort Flüchtlinge eingewiesen, deren Antrag auf Asyl seitens der Behördeneinschätzung nur geringe Aussichten auf Erfolg hat. Bei 0,9 % Anerkennungsquote für AsylbewerberInnen im Jahr 2005 kann das praktisch jeder sein. Das Lager hat die Aufgabe Druck auf die Menschen auszuüben, damit sie möglichst schnell freiwillig in ihr Herkunftsland ausreisen. Nach der offiziellen Darstellung soll Flüchtlingen geholfen werden „freiwillig auszureisen“. Die Methoden aus Bramsche werden aber auch zunehmend in der ZAAB Oldenburg und Braunschweig angewandt.

Diese Politik der Fluchtabwehr bedeutet für die überwiegende Mehrheit der Flüchtlinge, dass sie lediglich in der Zeit bis zur Entscheidung ihres Asylantrages berechtigt sind, in Deutschland zu leben und dieses Leben soll ihnen so schwer wie möglich gemacht werden. Der Innenminister Schünemann wendet sich dezidiert gegen die dezentrale Umverteilung in die Gemeinden, obwohl die Kosten für die Unterbringung im Lager ungefähr das Dreifache verschlingen. Das Innenministerium begründet diese Mehrkosten ganz offen mit dem Argument, dass dafür in der Zukunft die Folgekosten sinken werden, weil die Ausreise der Flüchtlinge in den Lagern besser erzwungen werden kann. Folge dieser Politik ist nicht nur, dass die Ausreisezahlen steigen, sondern auch, dass viele Flüchtlinge in die Illegalität getrieben und damit kriminalisiert werden.

Eine Integration der Flüchtlinge in die Gesellschaft ist nicht vorgesehen, sondern die Lagerpolitik hat das erklärte Ziel Menschen zu isolieren und einen verfestigten Aufenthaltsstatus zu verhindern. Schünemann erklärt dazu: „(Es) müsse eine faktische Verfestigung des Aufenthaltes der weit überwiegenden Zahl der Betroffenen verhindert werden. Dies könne am besten in einer zentralen Landeseinrichtung erreicht werden.“
Die Rückkehrförderung steht im Zentrum der Landespolitik. Die Bedingungen im Lager sind an dieser Politik ausgerichtet. Vergünstigungen für Flüchtlinge gibt es nur, wenn sie nach abgelehntem Asylantrag oder sogar vor der Ablehnung ihren Antrag zurückziehen und in die „freiwillige Rückkehr“ einwilligen. Um dieses Ziel zu erreichen wird durch die Lagerverwaltung ein großer psychischer Druck gegenüber den Flüchtlingen aufgebaut. Hierzu gehören häufige Interviews, Botschaftsvorführungen, Streichungen des Taschengeldes, schlechte Lebensbedingungen, minderwertiges Essen, sowie unzureichende medizinische Versorgung und eine Abhängigkeit von bürokratischen Verwaltungsbehörden, die jegliche Perspektive einen verfestigten Aufenthaltsstatus zu erlangen zu verhindern trachten. Eine wirkliche „freiwillige“ Entscheidung der Flüchtlinge würde Alternativen voraussetzen. Die einzige Möglichkeit, die den Flüchtlingen im Lager bleiben soll, ist die durch das Lagerpersonal zielgerichtete und forcierte Ausreise. Für Flüchtlinge wird in den Lagern ein Klima der existenziellen Ausweglosigkeit geschaffen. Dies führt dazu, dass Flüchtlinge in die Illegalität abtauchen und so kriminalisiert werden. Die Politik nimmt diesen Prozeß der Entrechtung billigend in Kauf, weil die Flüchtlinge dann dem Sozialsystem nicht mehr zur Last fallen. Außerdem werden aus den Lagern immer wieder Flüchtlinge abgeschoben.

Das Lagerleben macht krank. Im Asylbewerberleistungsgesetz ist demgegenüber lediglich eine akute Notbehandlung vorgesehen. Zwar gibt es eine Krankenstation im Lager Blankenburg, doch das Problem ist, dass Flüchtlinge, die mit Beschwerden dort hinkommen, immer wieder insistieren müssen um behandelt zu werden. Eine freie Arztwahl gibt es nicht und wenn sie zu Spezialisten überwiesen werden, sind dies VertragsärztInnen des Sozialamtes, die sie ebenfalls häufig wieder nach Hause schicken. Es gibt keinen Übersetzungsdienst für Krankenbesuche und so eine total reduzierte Kommunikation zwischen Arzt/Ärztin und PatientIn. Diese Situation hat in vielen Fällen dazu geführt, dass wichtige Behandlungen nicht stattgefunden haben. Hier sind Fälle bekannt, die von der Verweigerung einer Brille trotz schwerer Sehbehinderung hin bis zu einer mutmaßlich nicht diagnostizierten Krebserkrankung reichen.

Gegen diese kalkulierte Verschlechterung ihrer Lebenssituation und die Alternativlosigkeit des Lagerlebens sind die Flüchtlinge in der ZAAB Oldenburg/Blankenburg in den Streik getreten. Sie wehren sich gegen eine Asyl- und Lagerpolitik, die ihnen systematisch ihre Lebensperspektiven nimmt. Wir fordern die Abschaffung des Lagersystems.

(Stand: 31.10.06)



..:: [flüchtlingsstreik - backstage]...

[Essensverteilung]
Es gab eine Gruppe von Flüchtlingen, die sich jeden Tag um 16h im Alhambra trafen, um die vorhandenen Lebensmittel in 150 Tüten zu packen und um 18h nach Blankenburg zu fahren. Neben den Grundnahrungsmitteln wie Reis, Nudeln und Öl, die wöchentlich verteilt wurden, wurde jeden Tag 25kg Brot sowie 50 Liter Milch und 50 Joghurts und jeden zweiten Tag zusätzlich 30kg Käse gekauft. Zusätzlich dazu gab es Obst- und Gemüsespenden von verschiedenen Geschäften und Großmärkten aus Oldenburg und Bremen. Das Essen kostete pro Tag etwa 100 bis 150 Euro.

[Übersetzungen]
Generell ist das Problem, dass fast alle Flüchtlinge von Diskussionen/Inforamtionen ausgeschlossen sind, sofern es keine Übersetzungen gibt. Flugblätter und Informationen werden daher immer mindestens in englich, französisch und deutsch übersetzt, oft sind auch Übersetzungen in russisch, arabisch, persisch oder serbo-kroatisch vorhanden. Neben der Übersetzung von Texten ist die Übersetzung von Diskussionen und Treffen notwendig.

[Shuttle]
Für Treffen im Alhambra oder Aktionen in der Stadt ist es notwendig, dass Flüchtlinge aus Blankenburg mit Autos abgeholt und zurück gefahren werden. Daher ist ein halbe Stunde vor allen Plena Treffen in Blankenburg, um zu shuttlen.

[Treffen]
Mehrmals pro Woche finden große Plena mit 50-80 TeilnehmerInnen statt. Diese Treffen laufen mehrsprachig, d.h. es gibt laute Übersetzung auf englich, französisch und deutsch, sowie Flüsterüberesetzungen in russisch, arabisch oder kurdisch.

[Solidarität]
Neben der Solidarität von Gruppen, Einzelpersonen und Geschäften aus Oldenburg gibt es auch aus vielen anderen Städten konkrete Unterstützung. Aus Bremen kommen regelmäßig Lebensmittel und Geldspenden, in Münster wird auf Partys und Veranstaltungen Geld für den Streik gesammelt und auch lebensmittel wurden gebracht. Auch in Hamburg, Hannover und Bielefeld gibt’s bzw gab es Solidaritätsaktionen und Spendensammlungen. Selbst in Berlin gibt es Soli-Konzerte und -Veranstaltungen zum Streik, besetzte Häuser zeigen ihre Solidarität mit Transparenten und auf Demonstrationen wird auf die Situation hingewiesen.



..:: [forderungen der asylbewerberInnen, die in blankenburg leben]...

..Ernährung
1. Wir wollen unser Essen selber kochen, anstatt in der „Kantine“ den Mist essen zu müssen!
2. Wir wollen Geldleistungen um unsere Lebensmittel zu kaufen

..Menschenrechte
1. Wir sind Menschen und wir wollen dementsprechend behandelt werden!
2. Wir wollen freundliches und unrassistisches Personal

..Gesundheitssystem
1. Wir wollen richtige medizinische Behandlung (Freie Arztwahl)
2. Wir wollen richtige Medikamentenversorgung: Nicht mehr Paracetamol und Salbe für jede Krankheit!

..Allgemeine Lebenssituation
1. Genug und richtige Materialien zur Kinderpflege.
2. Die Busverbindung muss verbessert werden. Wir wollen jede Stunde eine Busverbindung nach und von Oldenburg. Es muss eine Ermäßigung auf den halben Preis für AsylbewerberInnen für die Linie 316 geben.
3. Waschmaschinennutzung muss ohne Termin und ohne „Tickets“ so oft und wann man will möglich sein
4. Wir wollen transferiert werden, aber wir wollen keinen Transfer nach Bramsche!
5. Wir fordern eine Arbeitserlaubnis
6. Wir fordern ausreichende Geldmittel für Ernährung, Hygiene, Kleidung, etc.